Nichts für schwache Gemüter

... unter dieser Überschrift erschien im November 1989 in der Rallye  Racing ein Test des Audi 90 Quattro-Treser Hunter. Den Text sowie die Bilder aus diesem Test möchte ich im Folgenden präsentieren:

In Pfützen suhlt er sich für sein Leben gern

 

Der Hunter - zu deutsch Jäger - könnte zwar dem tüchtigen Waidmann ein adäquates Fortbewegungsmittel auf der Pirsch nach Hoch- und Niederwild sein, darf aber ebenso zur Jagd auf ausgebauten Autobahnstrecken benutzt werden. Natürlich trifft man hier nur gelegentlich und höchst ungern auf besagtes Getier. Daher wird der Hunter-Pilot vornehmlich das Hallali auf andere Spezies der Gattung Automobil blasen. Was ihm sicherlich vortrefflich gelingen dürfte. Denn eine Stärke des Hunter, das unffällige Anpirschen ist ihm förmlich in die Wiege gelegt. Welcher Golf 16V-, 3er BMW_ oder Mercedes 190-Fahrer wird das hochbeinige, aufgemotzte und mit Stahlgeweihen bewehrte Vehikel schon als ernsthaften Konkurrenten bei der Jagd um Höchstgeschwindigkeiten oder Beschleunigungsrekorde für voll nehmen? Und wie siehts gar mit den eigenen Markenkollegen aus dem heimatnahen Ingolstadt aus?

Wers noch nicht gemerkt hat: Der rote Hochbeiner war einmal ein ganz normaler Audi 80. Bis, ja, bis er in den Hallen der K. Treser Design Technik GmbH unters Messer kam. Hier wurde er waidgerecht seziert und mit einigen ungewohnten Zutaten wieder zum Leben erweckt. Ähnlichkeiten mit einem urbayrischen Fabelwesen, dem Wolpertinger, sind rein zufällig. 

Im Unterschied zu diesen possierlichen Tierchen, die bisher wohl kein noch so ausgefuchster Jäger vor die Flinte bekommen hat, ist der Treser Hunter quicklebendig.

 Dafür sorgt schon das kraftvolle Fünfzylinder Triebwerk. Normalerweise packt der 2,3 Liter-Motor aus dem 90er 136 stolze Rösser unter die Quattro-Haube. Der rote Jäger gibt sich damit aber nicht zufrieden und befehligt je nach Lust und Laune muntere 198 Pferde, genug für flotte Ausritte über Stock und Stein oder fröhliche Ausflüge über glatte Betonpisten. Dabei ist der Hunter nichts für schwache Gemüter, denn wo er antritt, bleibt keine Flinte ruhig liegen. In der Tat sollten während der 8,7 Sekunden,  die er für den Spurt von null auf 100 km/h benötigt, keine losen Gegenstände auf den edlen Lederpolstern umherliegen. Der 1,3 Tonnen schwere Waidmann springt nämlich los wie ein Berberlöwe bei der Jagd auf Hochwild. Die vier breiten Tatzen krallen sich förmlich in den Asphalt. Dank des Allradantriebs baut so gut wie keiner der 250/45 V415er Michelin TRX irgendwelchen Schlupf auf.

Wenn er abseits der normalen Pfade dann doch mal ins Rutschen kommen sollte: Eine Differentialsperre läßt sich per Wippschalter aktivieren und verschafft bessere Traktion. 

Diese serienmäßige Torsensperre in der Hinterachse schaltet sich normalerweise über 25 km/h aus. Auf Wunsch läßt sich das jedoch durch Betätigung eines Extraschalters verzögern. So gerüstet, kann der Hunter schon einige Buckel unter den stahlgeschützten Bauch nehmen. Der ist nämlich selbst an der tiefsten Stelle immer noch ganze 20 Zentimeter, also etwa zwei Handbreit, vom Boden entfernt. 

Falls der Wagen mal vor Übermut in die Luft hüpfen sollte - macht nichts. Das Fahrwerk, die Radhäuser und die Federbeindome sind soldie verstärkt. Natürlich, wie es sich für einen wackeren Waldwächter gehört, besitzt der Treser-Audi einen geregelten Abgaskatalysator, um die sonst baummordenden Stickoxyde zu verwerten. Leider verspürt er einen ziemlichen Durst. Speziell, wenn man die errechnete Höchstgeschwindigkeit von 198 km/h ausfahren will, schafft er ohne Probleme 19 bis 20 Liter bleifreies Superbenzin je 100 Kilometer weg. Es geht natürlich auch zahmer, so mit zwölf bis dreizehn Schlucken im Testmittel. Doch dann muß man sich gehörig in Sachen Gasgeben einschränken. Bei der ersten Begegnung will man es kaum glauben: Der hochbeinige Geweihträger läßt sich lässig durch Kurven treiben. Mit der exakten Servolenkung hat man ihn jederzeit im Griff. In engen Kehren drängt es ihn über die eingeschlagenen Vorderräder nach außen, und wer dann vor Schreck das Gas wegnimmt, muß mit einem ausbrechenden Heck rechnen. Selbst der Geradeauslauf bei knapp 200 Sachen entspricht fast dem eines normalen Serienwagens. 

Wäre da nicht der hohe Einstandspreis von gut 130000 Märkern, der Hunter wäre das ideale Fortbewegungsmittel für den Freizeit-Waidmann auf der Pirsch.

Text: Wolfgang Scholz
Fotos: Jan Hardy Sommer

 


Im Motorraum geht's eng zu. Auf Wunsch können auch 245 PS für noch bessere Fahrleistungen sorgen. Bis auf Lederlenkrad und Neigungsmesser über dem Handschuhfach ist das Cockpit serienmäßig.
Auch auf glattem Asphalt ist der Hunter allzeit zum Angriff bereit. Die große Bodenfreiheit hilft dem Hunter bei seinen Extratouren

Bilder und Text aus rallye racing , Heft 11/89, von Timo gescannt.

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letzte Aktualisierung: 26.05.2008

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